Dieser Blog ist aus der Not heraus geboren. Er ist der Therapieraum, den ich bisher nicht finden konnte. Er ist mein Versuch, zu verarbeiten, was in den letzten Jahren passiert ist – ein Weg, der mit so viel Hoffnung begann und mich an den dunkelsten Ort meines Lebens führte.
Alles fing 2015 in Berlin an. Eine Depression zwang mich in die Knie: Klinik, Tagesklinik, Reha. Doch danach folgte ein Neuanfang. Ich zog nach Augsburg und wie durch ein Wunder fühlte ich mich nach kurzer Zeit wie befreit. Ohne Medikamente fand ich zurück in ein Leben, das sich „normal“ anfühlte – was auch immer das für jeden von uns bedeuten mag. Selbst die Trennung von dem Menschen, für den ich hergezogen war, meisterte ich dank großartiger ärztlicher Unterstützung. Ich stürzte mich in die Arbeit und blickte nach vorn.
Die ersten Jahre in Augsburg waren geprägt von einer neuen Unbeschwertheit. Ich kündigte sogar einen Job, ohne einen neuen zu haben, und fand innerhalb von zwei Wochen eine bessere Stelle, die ich zu Fuß erreichen konnte. Als auch dort mein Vertrag auszulaufen drohte, fand ich endlich wieder eine Anstellung in meinem Traumberuf: dem Einkauf. Die Bezahlung war schlecht, aber das war mir egal. Endlich wieder das tun, was mich erfüllte – das war alles, was zählte. Aus der Vergangenheit hatte ich gelernt: Ein Jobwechsel nur für Geld hatte mir schon einmal kein Glück gebracht.
Dreieinhalb Jahre lang lief alles perfekt. Ich liebte meine Arbeit, bekam durchweg positives Feedback und wurde gelobt, wenn ich meinen Chef vertrat. Doch dann kam der erste Schlag in die Magengrube. Mein Einkaufsleiter wollte kürzertreten, und ein Nachfolger wurde gesucht. Mich fragte man nicht. Als ich nachhakte, fiel der Satz, der bis heute nachhallt: „Du hast nicht studiert, ich seh dich da nicht.“ Plötzlich zählte all die gute Arbeit der letzten Jahre nichts mehr. Man entzog mir Verantwortungen und erklärte mir gleichzeitig, wie wichtig ich für das Unternehmen sei.
Ein halbes Jahr später, nur zwei Wochen nach einem weiteren, überschwänglich positiven Personalgespräch, kam der endgültige K.o.-Schlag. Man eröffnete mir, dass man mich „aus Rücksicht auf meine Gesundheit“ entlassen würde. Der angebliche Grund: Ein Jahr zuvor hatte ich nach wochenlanger Sechs-Tage-Arbeit zugegeben, dass ich „kurz vor dem Burnout“ stand. Diese eine ehrliche Aussage wurde nun, ein ganzes Jahr später, als Vorwand für meine Kündigung genutzt.
Mein Selbstwertgefühl war am Boden, doch nach fünf Monaten fand ich einen neuen Job. Die Erleichterung hielt nur kurz. Nach drei Monaten in der Probezeit wurde ich erneut gekündigt, weil die „Chemie nicht passte“. Mein Vorgesetzter dort prägte den unvergesslichen Satz: „Einarbeitung ist eine Holschuld.“ An dem Tag, als ich meine Sachen packte, fühlte ich nichts als Leere. Keine Wut, keine Trauer. Ich war wie tot.
Es folgten über 350 Bewerbungen. Nichts. Mit 54 Jahren spüre ich vom angeblichen Fachkräftemangel rein gar nichts. Die ständigen Absagen und die Perspektivlosigkeit zermürbten mich. Im Dezember 2024 war ich an einem Punkt, an dem ich nicht mehr leben wollte. Es war der Moment, in dem ich es gerade noch zu meiner Hausärztin schaffte.
Medikamente halfen, die tiefste Dunkelheit zu vertreiben, aber der Weg zurück ist steinig. Termine bei Fachärzten sind Mangelware, und die Hilfe oft nicht die, die man braucht. Ende Juni 2025 folgte der nächste Klinikaufenthalt. Nun bin ich wieder draußen, als arbeitsunfähig entlassen, und warte immer noch auf einen Therapieplatz.
Und deshalb schreibe ich das hier. Um meiner Geschichte einen Raum zu geben. Um die Leere mit Worten zu füllen. Willkommen auf meiner Reise.
